Checklisten zum betrieblichen Krisenmanagement
von Prof. em. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hauschildt †
(1) Liquiditätspolitik im Krisenfall
Konzept
- Prämisse: Die normalen Finanzierungsmöglichkeiten sind erschöpft
- Priorität der Liquiditätserhaltung
- Bedeutungswandel herkömmlicher Ziele (Rentabilität, Marktposition, Produktprofil etc.)
- Prinzipielle Zukunftsperspektive
- Bei der Abschätzung von Aktionen
- Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Wirkungen
- Ansatzpunkte der Liquiditätspolitik
- Ausgaben
- Einnahmen
- Reserven
- Besondere Formen von Kredit
Verschieben oder Senken von Ausgaben
- Maßnahmen des Unterlassens
- Verzicht auf Investitionen
- Senkung der Materialbestände, Änderung der Beschaffungspolitik
- Maßnahmen des Tuns
- Einführung von Kurzarbeit
- Entlassungen
- "Sparaktionen"
- Ausschüttungsstop
Vorziehen oder Bewirken von Einnahmen
- Aktive Inkassopolitik, Skontopolitik, Factoring
- Forcierter Verkauf von "Liquiditätsbringern"
- Desinvestition des Anlagevermögens
Reserveauflösung
- Zweckänderung bei angesparten Mitteln
- Tatsächliche Mobilisierung von freien, nicht zweckgebundenen Reserven
- Reserven als Mittel des Bluffs
- Zeitdruck bei der Reservenauflösung
Kreditaufnahme
- Geeignete und ungeeignete Kreditgeber - die Auslotung der Interessen
- "Kritische Zahl" der Kreditgeber - "zu" viele oder "zu" wenige?
- Änderung der Zahlungsweise ("Postlaufkredite")
- Kreditaufnahme durch Verschlechterung der Zahlungsmoral?
Zusätzliche Überlegungen zur liquiditätspolitischen Anpassungsentscheidung
- Geschwindigkeit der Wirkung
(2) Bilanzpolitik im Krisenfall
(Vermeintliche) Erwartungen der Bilanzleser
- Zum Erfolg
- Stetigkeit - Die hohe Bedeutung des Zeitvergleichs
- Akzeptanz bestimmter Aufwandssteigerungen
- Zur Bilanz im engeren Sinne
- Ausweis von Liquidität
- Ausweis von struktureller Deckung - "goldene Bilanzregel",
"goldene Finanzierungsregel" - "Normale" Verschuldung
- Zum Zeitpunkt der Bilanzvorlage
Maßnahmen der Bilanzpolitik
- Vor-Stichtag-Dispositionen
- Vorziehen von Umsätzen
- Verschieben von Ausgaben/Aufwendungen
- "Window-Dressing" des Liquiditätsausweises
- Bilanzgliederungsentscheidungen
- Umgliederungen vom Umlauf- in das Anlagevermögen
- Verkäufe an Tochtergesellschaften
- Sale-and-lease-back
- Bewertungsentscheidungen
- Neu zu definierender Aktivierungswille
- Verzicht auf zulässig höhere Abschreibungen
- Verzicht auf Rückstellungsbildung
- Ansatz möglichst hoher Herstellungskosten
- Ausnutzung von Spielräumen des Niederstwertprinzips
- Zuschreibungen (Rückgängigmachen von Abschreibungen)
Fragwürdigkeit der Bilanzpolitik
- Neuere Methoden der Bilanzanalyse
- Kurzfristige Wirkung der Bilanzpolitik
- Überreaktion der enttäuschten Bilanzleser
Sinnhaftigkeit der Bilanzpolitik
- Abwendung einer voreiligen Überschuldungsfeststellung
(3) Aktive Informationspolitik im Krisenfall
Adressaten des Krisenmanagements
- Selbstinformation, insbesondere der ungläubigen Top-Manager
- Kreditgeber, namentlich die Bank(en)
Grundtendenz der Informationspolitik ("message")
- Bewußt optimistische Aussage
- Bewußt pessimistische Aussage
- Prinzipielle Verbindung von Lageinformation mit einem Aktionsvorschlag
Instrumente der Informationspolitik
(4) Besondere (passive) Informationsnotwendigkeiten im Krisenfall
Grundsätze
- Informationen über die Zukunft rangieren vor Informationen über die Vergangenheit
- Informationen über Zahlungsströme rangieren vor Informationen über Erfolgspositionen
- Tendenziell pessimistische Erwartungen rangieren vor tendenziell optimistischen
- Tendenziell einfache, ungenaue, aber schnelle Informationen rangieren vor komplizierten, langsamen, aber genauen
Gegenstände der Information
- Rollende Finanzplanung zur laufenden Betriebstätigkeit
(Feststellung von Volumen, frühestem Zeitpunkt und Dauer des Liquiditätsengpasses)
- Liquiditätsträgerrechnung
(Welche Produkte verursachen wenig Ausgaben und bringen schnell viele Zahlungseingänge?)
- Analytische Erfassung von Risiken und Reserven
(RR-Bilanz - Welche Risiken sollen durch welche Reserven aufgefangen werden?)
- Gestaffelte Liquidationslisten
(Wert der Vermögensgegenstände unter unterschiedlichen Verkaufsannahmen)
- Alternativ- oder Schubladenplanung
(Planung mehrerer, gleich wahrscheinlicher Zukünfte)
(5) Organisation des Krisenmanagements
Bewußtes Bekenntnis zum Krisenmanagement
Position des Krisenmanagers
- Zwang zur Zentralisierung
- Zwang der Zentralisierung an der Unternehmensspitze
Sondervollmachten des Krisenmanagers
Krisenmanagement-Team
Verstärkter Informationsaustausch im Top-Management
Bewußte Beendigung des Krisenmanagements
Autor
Prof. em. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hauschildt † Institut für Betriebswirtschaftslehre Christian-Albrechts-Universität Westring 425 D-24098 Kiel Internet: www.bwl.uni-kiel.de | |