Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 12 (Dezember) - ISSN 1619-2389
 

Krisenmanagement in Projekten

    Rezension von Frank Roselieb  

Die enorme Komplexität, der hohe Innovationsgrad und der interdisziplinäre Charakter von Projekten führen dazu, daß in diesem Bereich vermutlich mehr Krisen entstehen als in vielen anderen Tätigkeitsfeldern. Die Bewältigung von Krisen bei Projekten muß jedoch nicht unbedingt eine schmerzhafte Erfahrung sein, denn sowohl der Verlauf einer Krise als auch die Wege zu ihrer Lösung unterliegen allgemeinen Schemata. Diese Erkenntnis bildet den Ausgangspunkt für das Buch von Dr. Michael Neubauer. Der Autor ist seit 1991 Leiter des Unternehmensbereiches "Dokumentenmanagement" bei der Dr. Materna GmbH in Dortmund und seit sechs Jahren verantwortlich für große internationale Entwicklungsprojekte. In seiner Schrift stellt er Handlungsregeln und Checklisten bereit, die als Werkzeuge beim Krisenmanagement von Projekten eingesetzt werden können. Die Inhalte fußen weniger auf einer umfangreichen Literaturrecherche als vielmehr auf der mehrjährigen Erfahrung des Autors im Bereich "Projektmanagement".

Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, die um ein knappes Literaturverzeichnis und einen umfangreichen Index ergänzt werden. Im ersten Kapitel - der Einleitung - formuliert Neubauer die Kernfrage seines Buches. Diese lautet "Was muß ich tun, wenn sich eine mir übertragene Aufgabe als unlösbar erweist?" (Seite 1). Mit dieser Formulierung möchte der Autor die Aufmerksamkeit des Lesers auf zwei Aspekte lenken. Zum einen geht es ihm bei der Analyse von Krisen nicht nur um fachliche Fragen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch um die emotionalen Aspekte. Zum anderen liegt der Schwerpunkt auf Krisen, die bei nicht alltäglichen Tätigkeiten - eben bei Projekten - entstehen (Seite 3). Eine solche Krise entwickelt sich immer dann, wenn die Probleme innerhalb des Projektes soweit eskalieren, daß eine Lösung unter den gegebenen Rahmenbedingungen unmöglich wird oder zumindest den Krisenbeteiligten unmöglich erscheint (Seite 8). Damit ein Problem zur Ursache für eine Krise werden kann, muß es spezifische Eigenschaften besitzen. Als Beispiele nennt Neubauer subjektive, objektive und dispositive Unmöglichkeit, fachliche Inkompetenz und Management-Inkompetenz (Seite 12).

Das zweite Kapitel stellt den Krisenlebenszyklus in den Mittelpunkt der Betrachtung. Mit dieser vergröberten Darstellung möchte Neubauer deutlich machen, daß sich auch komplexe Krisensituationen auf einfache, überschaubare Zusammenhänge reduzieren lassen (Seite 19). Der idealtypische Verlauf einer Krise gliedert sich danach in fünf Phasen. Die Krisenentstehung liegt oft weit in der Vergangenheit. Häufig haben Personen die "Krisenwurzeln" vergraben, die an der Umsetzung des Projektes selbst nicht beteiligt sind (Seite 20). Auch die Krisenerkenntnis ist meist nicht einfach, denn - anders als Naturereignisse - lassen sich Krisen in der Regel nicht direkt messen. Dennoch gibt es typische Indikatoren für eine Krise. So empfiehlt Neubauer, insbesondere die Beschwerden von Kunden - als wichtiger unternehmensexterner Meinungsäußerung - stets ernst zu nehmen (Seite 23). Kernfunktion der Krisendarstellung ist die Auflistung des eigentlichen Gegenstandes der Krise, der beteiligten Personen sowie ihrer Intentionen. Die eigentliche Krisenlösung beinhaltet - neben der Analyse der Rahmenbedingungen und der fachlichen Bearbeitung des Problems - auch die möglichst schnelle Umsetzung von Interimsmaßnahmen, um die unmittelbaren Folgen der Krise zu lindern (Seite 24). In der letzten Phase "Aus der Krise lernen" werden Konsequenzen der durchlebten Krise gezogen, um bei zukünftigen Projekten die Wahrscheinlichkeit von erneuten Krisen zu verringern (Seite 25).

Das dritte Kapitel ist mit über 50 Seiten nicht nur das umfangreichste, sondern auch das inhaltlich zentrale Kapitel des Buches. Hierin stellt Neubauer die KOPV-Methode zur Krisenbewältigung vor. Die Grundidee dieser "Kommunikationsorientierten Problemverlagerung" basiert darauf, daß es bei der Bearbeitung eines Problems nicht darauf ankommt, ein gegebenes Problem zu lösen, sondern in erster Linie ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn sich ein Problem nicht oder nur sehr schwer lösen läßt, so sollte es in eine allgemeinere Fragestellung übersetzt - also verlagert - werden. Hierdurch lassen sich unter Umständen neuartige Lösungsalternativen erkennen. Wegen der mangelnden Flexibilität der an der Krise beteiligten Personen müssen die Vorzüge einer solchen Problemverlagerung überzeugend vermittelt - also kommuniziert - werden (Seite 28). Die KOPV-Methode führt die Lösung von Krisensituationen in fünf Schritten herbei. Ausgangspunkt ist eine detaillierte Analyse der festgefahrenen Problemsituation (Seite 33). Eng mit der Analyse verbunden ist die Ermittlung des zu erwartenden Schadens der am Projekt beteiligten Institutionen (Seite 58). Der eigentlich kreative Teil des Krisenmanagements beginnt mit der Suche nach Lösungsalternativen. Wenn sich eine gefundene Lösung als tragfähig erweist, so muß ihr Nutzen überzeugend dargestellt werden (Seite 75). Schließlich gilt es, in Verhandlungen einzutreten, um die gefundene Lösung als neue Arbeitsgrundlage für das Projekt zu definieren (Seite 77). Vorteilhaft an Neubauers KOPV-Methode sind sicherlich, die konsequente Berücksichtigung von wirtschaftlichen Aspekten einer Krise und die Bewertung der Lösungsalternativen nach Nutzenaspekten der Kunden. Dennoch ist fraglich, ob die vom Autor geforderte permanente Kommunikation mit allen Krisenbeteiligten und die konsequente Zielorientierung angesichts des Zeitdrucks in Krisensituationen tatsächlich immer im geforderten Umfang realisiert werden können.

Im vierten Kapitel gibt Neubauer Tips zur praktischen Krisenbewältigung. Geht eine Krisenmeldung beim Lieferanten ein, so sollte diese unverzüglich an den verantwortlichen Projektmanager weitergeleitet werden (Seite 90). Da das Erarbeiten konkreter Lösungen für das Problem unter Umständen längere Zeit dauern kann, sind in der Zwischenzeit Interimshandlungen empfehlenswert. Diese lösen zwar nicht das eigentliche Problem, mildern aber dessen unmittelbare Folgen (Seite 99). Als Beispiele für solche Interimslösungen nennt der Autor die Einführung neuer Verfahren und Techniken, um das Problem zu umgehen ("Workaround"), den Vor-Ort-Einsatz von Mitarbeitern des Lieferanten beim Kunden, die Zurverfügungstellung eines Ersatzgerätes ("Hot-Stand-By") und die Auslagerung der krisenrelevanten Problemfelder aus dem Unternehmen des Kunden. In letzterem Fall übernimmt der Lieferant oder ein befreundetes Unternehmen den Betrieb des Systems bzw. die Produktion der Waren (Seite 104). Alle derartigen Lösungen erfordern stets die Kompromißbereitschaft des Kunden. Kommunikation ist somit als Mittel zur Lösungsfindung unerläßlich (Seite 105).

Das fünfte Kapitel widmet sich den psychologischen Aspekten einer Krise. Dargestellt werden sechs Kategorien von Persönlichkeiten, die der Autor in realen Krisensituationen kennengelernt hat. Diese Systematik soll es den Krisenmanagern ermöglichen, menschliche Schwächen bei sich selbst und anderen Beteiligten zu erkennen und ungeachtet dieser Schwachstellen zu einer Lösung zu kommen (Seite 110). Der A-Typ "Abwarten" ist passiv und unfähig, auf andere Menschen zuzugehen (Seite 111). Beim B-Typ "Besitzen" dominieren Gütererwerb und Bereicherung als wichtigste Bedürfnisse (Seite 114). Verlustangst, Mißtrauen gegenüber Veränderungen und Pessimismus kennzeichnen den C-Typ "Chronischer Mangel" (Seite 116). Menschen vom D-Typ "Deklamieren" können nicht zuhören und sind primär auf sich selbst fixiert (Seite 118). Der E-Typ "Existentialismus" will alle Dinge des Lebens objektivieren und der F-Typ "Freund/Feind-Denken" unterteilt seine Mitmenschen - unabhängig von objektiven Erkenntnissen - lediglich in die Kategorien "Freund" oder "Feind" (Seite 120). Auf die Grenzen seiner sechs Persönlichkeitstypen weist Neubauer selbst hin. Zum einen treten in der Realität überwiegend Kombinationen verschiedener Idealtypen auf (Seite 111). Daher müssen auch bei einer Person unterschiedliche, sich zum Teil widersprechende Methoden zum Einsatz kommen. Zum anderen können bei größeren Gruppen von Krisenbeteiligten bestenfalls die Entscheidungsträger und Meinungsführer "optimal" angesprochen werden (Seite 124).

Im sechsten Kapitel gibt der Autor Hinweise zur Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen. Generell empfiehlt Neubauer die Verhandlungen auf drei Ebenen vorzubereiten. Die formale Vorbereitung soll den zielgerichteten Ablauf der Verhandlung gewährleisten (Seite 129). Im Rahmen der inhaltlichen Vorbereitung werden die benötigten Informationen zusammengestellt (Seite 130). Die taktische Vorbereitung berücksichtigt die emotionalen Aspekte der Krisenbewältigung (Seite 132). In schwierigen Verhandlungssituationen können außerdem verschiedene Verhandlungsmethoden zum Einsatz kommen. Bei der Bilanzmethode werden die zusätzlich zu erbringenden Leistungen der Verhandlungspartner quantifiziert und gegenübergestellt (Seite 136). Die Aussaatmethode wählt eine emotionalisierende Darstellung und berücksichtigt damit gezielt die Intentionen und Wünsche der anderen Seite (Seite 138). Die Offensivmethode kommt bei Personen mit einer abwartenden Gesinnungshaltung zur Anwendung und fordert deren Zustimmung unmittelbar ein (Seite 140). Bei der Verschiebemethode wird das Problem von einer völlig anderen Seite angegangen (Seite 141). Die Stufenmethode ermöglicht in äußerst schwierigen Verhandlungssituationen eine schrittweise Lösungssuche (Seite 143). Beeinflussen verschiedenartige Charaktere auf der anderen Verhandlungsseite den Verhandlungsablauf, so setzt die Kesselmethode die divergierende Seite gezielt unter Druck (Seite 145). Insgesamt verlangt die Anwendung der vorgestellten Verhandlungsmethoden Vorsicht und Verantwortungsgefühl, denn ihr Einsatz dient lediglich zur Überwindung von Kommunikationsdefiziten und keineswegs zur Übervorteilung der anderen Seite (Seite 148).

Im Mittelpunkt des siebten Kapitels steht das juristische Basiswissen für die Krisenbewältigung. Diese Informationen sind in zweierlei Hinsicht hilfreich. Zum einen verfügen technisch oder kaufmännisch ausgebildete Projektmanager in den allermeisten Fällen nicht über die erforderlichen juristischen Basiskenntnisse. Zum anderen werden eskalierte Krisen nicht selten von einem Gericht entschieden (Seite 151). Nach einem kurzen Überblick über den Aufbau der einschlägigen Gesetze, die bei der kaufmännischen Abwicklung von Projekten bedeutsam sind, werden die Schritte bis zum Vertragsabschluß und die sich danach ergebenden Probleme bei der Erfüllung des Vertrages dargestellt (Seite 154). Dieser kritische Zeitraum beginnt schon mit den Vertragsverhandlungen und endet erst mit Ablauf der Gewährleistungszeit. Er bildet gleichsam den zeitlichen Rahmen, in dem eine Projektkrise entstehen kann. Schon vor Vertragsabschluß haftet der Leistungserbringer nach dem Prinzip des "culpa in contrahendo" für bestimmte Sorgfalts- und Offenbarungspflichten (Seite 175). Nach dem Vertragsabschluß kommt es unter Umständen zu sogenannten Leistungsstörungen - wie Unmöglichkeit und Verzug, wenn eine vertraglich zugesicherte Leistung nicht erbracht wird (Seite 178). Auch wenn der Lieferant den eigentlichen Vertrag erfüllt, kann er für die Nichterfüllung sogenannter Nebenpflichten - wie Auskunft, Vorbereitung und Geheimhaltung - zur Verantwortung gezogen werden (Seite 176). Fließen bestimmte Bestandteile über einen Kauf- oder Werkvertrag in das Projekt ein, so ist der Lieferant während der Gewährleistungszeit verpflichtet, auftretende Mängel zu beheben. Gelingt ihm dieses nicht, hat der Kunde ein Recht auf Wandlung oder Minderung (Seite 184).

Das abschließende achte Kapitel enthält Hinweise zur Dokumentation des Krisenmanagements. Im Idealfall wurde schon bei Projektbeginn ein Projektordner angelegt, der alle wesentlichen Schriftstücke enthält und den zeitlichen Ablauf des Projektes dokumentiert. Wurde das versäumt, so muß der Krisenmanager diese Aufgabe übernehmen. Neubauer empfiehlt eine chronologische Sortierung der Unterlagen und nur die Aufnahme weniger Register, damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt (Seite 190). Zum Abschluß stellt der Autor dem Leser Checklisten und Formblätter zur Verfügung. Diese sollen die Übernahme der Inhalte des Buches in die tägliche Arbeit erleichtern (Seite 191).

Insgesamt erfüllt die Schrift von Neubauer einen Großteil der Erwartungen, die die Überschrift weckt. Es wird eine praxisorientierte Hilfestellung bei der Bewältigung von Problemen in Projekten gegeben. Zahlreiche Abbildungen, Tabellen und Randüberschriften machen den Text gut lesbar. Das vom Autor gewählte anonymisierte Fallbeispiel (Seite 51) läßt die theoretischen Überlegungen anschaulich werden und hilft bei der Umsetzung der Konzepte in der betrieblichen Praxis. Gleichwohl fragt sich der Leser so manches Mal, ob es hier wirklich um Krisenmanagement oder doch eher um Störungsbewältigung und Beschwerdemanagement geht. Wer eine Übertragung der betriebswirtschaftlichen Konzepte zum Krisenmanagement auf den Bereich des Projektmanagements erwartet, der wird nach der Lektüre des Buches enttäuscht sein. Auch stören an einigen Stellen Tip- und Formatierungsfehler sowie unvollständige Sätze und nicht erklärte Fachbegriffe (Seite 19, 50, 61, 62, 67, 93). Dennoch sei das Buch allen betrieblichen Projektmanagern ausdrücklich zur Lektüre empfohlen. Neubauers Schrift wird ihnen in vielen Fällen helfen, eine Eskalation von Problemen in der Projektarbeit zu verhindern und damit das Ausbrechen größerer Krisen möglicherweise zu vermeiden.

Michael Neubauer,
Krisenmanagement in Projekten:
Handeln, wenn Probleme eskalieren,
Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1999,
207 Seiten, EUR 39.95,
ISBN 3-540-65771-1

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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
2. Jahrgang (1999), Ausgabe 9 (September)


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    Rezension von Frank Roselieb  

Die enorme Komplexität, der hohe Innovationsgrad und der interdisziplinäre Charakter von Projekten führen dazu, daß in diesem Bereich vermutlich mehr Krisen entstehen als in vielen anderen Tätigkeitsfeldern. Die Bewältigung von Krisen bei Projekten muß jedoch nicht unbedingt eine schmerzhafte Erfahrung sein, denn sowohl der Verlauf einer Krise als auch die Wege zu ihrer Lösung unterliegen allgemeinen Schemata. Diese Erkenntnis bildet den Ausgangspunkt für das Buch von Dr. Michael Neubauer. Der Autor ist seit 1991 Leiter des Unternehmensbereiches "Dokumentenmanagement" bei der Dr. Materna GmbH in Dortmund und seit sechs Jahren verantwortlich für große internationale Entwicklungsprojekte. In seiner Schrift stellt er Handlungsregeln und Checklisten bereit, die als Werkzeuge beim Krisenmanagement von Projekten eingesetzt werden können. Die Inhalte fußen weniger auf einer umfangreichen Literaturrecherche als vielmehr auf der mehrjährigen Erfahrung des Autors im Bereich "Projektmanagement".

Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, die um ein knappes Literaturverzeichnis und einen umfangreichen Index ergänzt werden. Im ersten Kapitel - der Einleitung - formuliert Neubauer die Kernfrage seines Buches. Diese lautet "Was muß ich tun, wenn sich eine mir übertragene Aufgabe als unlösbar erweist?" (Seite 1). Mit dieser Formulierung möchte der Autor die Aufmerksamkeit des Lesers auf zwei Aspekte lenken. Zum einen geht es ihm bei der Analyse von Krisen nicht nur um fachliche Fragen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch um die emotionalen Aspekte. Zum anderen liegt der Schwerpunkt auf Krisen, die bei nicht alltäglichen Tätigkeiten - eben bei Projekten - entstehen (Seite 3). Eine solche Krise entwickelt sich immer dann, wenn die Probleme innerhalb des Projektes soweit eskalieren, daß eine Lösung unter den gegebenen Rahmenbedingungen unmöglich wird oder zumindest den Krisenbeteiligten unmöglich erscheint (Seite 8). Damit ein Problem zur Ursache für eine Krise werden kann, muß es spezifische Eigenschaften besitzen. Als Beispiele nennt Neubauer subjektive, objektive und dispositive Unmöglichkeit, fachliche Inkompetenz und Management-Inkompetenz (Seite 12).

Das zweite Kapitel stellt den Krisenlebenszyklus in den Mittelpunkt der Betrachtung. Mit dieser vergröberten Darstellung möchte Neubauer deutlich machen, daß sich auch komplexe Krisensituationen auf einfache, überschaubare Zusammenhänge reduzieren lassen (Seite 19). Der idealtypische Verlauf einer Krise gliedert sich danach in fünf Phasen. Die Krisenentstehung liegt oft weit in der Vergangenheit. Häufig haben Personen die "Krisenwurzeln" vergraben, die an der Umsetzung des Projektes selbst nicht beteiligt sind (Seite 20). Auch die Krisenerkenntnis ist meist nicht einfach, denn - anders als Naturereignisse - lassen sich Krisen in der Regel nicht direkt messen. Dennoch gibt es typische Indikatoren für eine Krise. So empfiehlt Neubauer, insbesondere die Beschwerden von Kunden - als wichtiger unternehmensexterner Meinungsäußerung - stets ernst zu nehmen (Seite 23). Kernfunktion der Krisendarstellung ist die Auflistung des eigentlichen Gegenstandes der Krise, der beteiligten Personen sowie ihrer Intentionen. Die eigentliche Krisenlösung beinhaltet - neben der Analyse der Rahmenbedingungen und der fachlichen Bearbeitung des Problems - auch die möglichst schnelle Umsetzung von Interimsmaßnahmen, um die unmittelbaren Folgen der Krise zu lindern (Seite 24). In der letzten Phase "Aus der Krise lernen" werden Konsequenzen der durchlebten Krise gezogen, um bei zukünftigen Projekten die Wahrscheinlichkeit von erneuten Krisen zu verringern (Seite 25).

Das dritte Kapitel ist mit über 50 Seiten nicht nur das umfangreichste, sondern auch das inhaltlich zentrale Kapitel des Buches. Hierin stellt Neubauer die KOPV-Methode zur Krisenbewältigung vor. Die Grundidee dieser "Kommunikationsorientierten Problemverlagerung" basiert darauf, daß es bei der Bearbeitung eines Problems nicht darauf ankommt, ein gegebenes Problem zu lösen, sondern in erster Linie ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn sich ein Problem nicht oder nur sehr schwer lösen läßt, so sollte es in eine allgemeinere Fragestellung übersetzt - also verlagert - werden. Hierdurch lassen sich unter Umständen neuartige Lösungsalternativen erkennen. Wegen der mangelnden Flexibilität der an der Krise beteiligten Personen müssen die Vorzüge einer solchen Problemverlagerung überzeugend vermittelt - also kommuniziert - werden (Seite 28). Die KOPV-Methode führt die Lösung von Krisensituationen in fünf Schritten herbei. Ausgangspunkt ist eine detaillierte Analyse der festgefahrenen Problemsituation (Seite 33). Eng mit der Analyse verbunden ist die Ermittlung des zu erwartenden Schadens der am Projekt beteiligten Institutionen (Seite 58). Der eigentlich kreative Teil des Krisenmanagements beginnt mit der Suche nach Lösungsalternativen. Wenn sich eine gefundene Lösung als tragfähig erweist, so muß ihr Nutzen überzeugend dargestellt werden (Seite 75). Schließlich gilt es, in Verhandlungen einzutreten, um die gefundene Lösung als neue Arbeitsgrundlage für das Projekt zu definieren (Seite 77). Vorteilhaft an Neubauers KOPV-Methode sind sicherlich, die konsequente Berücksichtigung von wirtschaftlichen Aspekten einer Krise und die Bewertung der Lösungsalternativen nach Nutzenaspekten der Kunden. Dennoch ist fraglich, ob die vom Autor geforderte permanente Kommunikation mit allen Krisenbeteiligten und die konsequente Zielorientierung angesichts des Zeitdrucks in Krisensituationen tatsächlich immer im geforderten Umfang realisiert werden können.

Im vierten Kapitel gibt Neubauer Tips zur praktischen Krisenbewältigung. Geht eine Krisenmeldung beim Lieferanten ein, so sollte diese unverzüglich an den verantwortlichen Projektmanager weitergeleitet werden (Seite 90). Da das Erarbeiten konkreter Lösungen für das Problem unter Umständen längere Zeit dauern kann, sind in der Zwischenzeit Interimshandlungen empfehlenswert. Diese lösen zwar nicht das eigentliche Problem, mildern aber dessen unmittelbare Folgen (Seite 99). Als Beispiele für solche Interimslösungen nennt der Autor die Einführung neuer Verfahren und Techniken, um das Problem zu umgehen ("Workaround"), den Vor-Ort-Einsatz von Mitarbeitern des Lieferanten beim Kunden, die Zurverfügungstellung eines Ersatzgerätes ("Hot-Stand-By") und die Auslagerung der krisenrelevanten Problemfelder aus dem Unternehmen des Kunden. In letzterem Fall übernimmt der Lieferant oder ein befreundetes Unternehmen den Betrieb des Systems bzw. die Produktion der Waren (Seite 104). Alle derartigen Lösungen erfordern stets die Kompromißbereitschaft des Kunden. Kommunikation ist somit als Mittel zur Lösungsfindung unerläßlich (Seite 105).

Das fünfte Kapitel widmet sich den psychologischen Aspekten einer Krise. Dargestellt werden sechs Kategorien von Persönlichkeiten, die der Autor in realen Krisensituationen kennengelernt hat. Diese Systematik soll es den Krisenmanagern ermöglichen, menschliche Schwächen bei sich selbst und anderen Beteiligten zu erkennen und ungeachtet dieser Schwachstellen zu einer Lösung zu kommen (Seite 110). Der A-Typ "Abwarten" ist passiv und unfähig, auf andere Menschen zuzugehen (Seite 111). Beim B-Typ "Besitzen" dominieren Gütererwerb und Bereicherung als wichtigste Bedürfnisse (Seite 114). Verlustangst, Mißtrauen gegenüber Veränderungen und Pessimismus kennzeichnen den C-Typ "Chronischer Mangel" (Seite 116). Menschen vom D-Typ "Deklamieren" können nicht zuhören und sind primär auf sich selbst fixiert (Seite 118). Der E-Typ "Existentialismus" will alle Dinge des Lebens objektivieren und der F-Typ "Freund/Feind-Denken" unterteilt seine Mitmenschen - unabhängig von objektiven Erkenntnissen - lediglich in die Kategorien "Freund" oder "Feind" (Seite 120). Auf die Grenzen seiner sechs Persönlichkeitstypen weist Neubauer selbst hin. Zum einen treten in der Realität überwiegend Kombinationen verschiedener Idealtypen auf (Seite 111). Daher müssen auch bei einer Person unterschiedliche, sich zum Teil widersprechende Methoden zum Einsatz kommen. Zum anderen können bei größeren Gruppen von Krisenbeteiligten bestenfalls die Entscheidungsträger und Meinungsführer "optimal" angesprochen werden (Seite 124).

Im sechsten Kapitel gibt der Autor Hinweise zur Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen. Generell empfiehlt Neubauer die Verhandlungen auf drei Ebenen vorzubereiten. Die formale Vorbereitung soll den zielgerichteten Ablauf der Verhandlung gewährleisten (Seite 129). Im Rahmen der inhaltlichen Vorbereitung werden die benötigten Informationen zusammengestellt (Seite 130). Die taktische Vorbereitung berücksichtigt die emotionalen Aspekte der Krisenbewältigung (Seite 132). In schwierigen Verhandlungssituationen können außerdem verschiedene Verhandlungsmethoden zum Einsatz kommen. Bei der Bilanzmethode werden die zusätzlich zu erbringenden Leistungen der Verhandlungspartner quantifiziert und gegenübergestellt (Seite 136). Die Aussaatmethode wählt eine emotionalisierende Darstellung und berücksichtigt damit gezielt die Intentionen und Wünsche der anderen Seite (Seite 138). Die Offensivmethode kommt bei Personen mit einer abwartenden Gesinnungshaltung zur Anwendung und fordert deren Zustimmung unmittelbar ein (Seite 140). Bei der Verschiebemethode wird das Problem von einer völlig anderen Seite angegangen (Seite 141). Die Stufenmethode ermöglicht in äußerst schwierigen Verhandlungssituationen eine schrittweise Lösungssuche (Seite 143). Beeinflussen verschiedenartige Charaktere auf der anderen Verhandlungsseite den Verhandlungsablauf, so setzt die Kesselmethode die divergierende Seite gezielt unter Druck (Seite 145). Insgesamt verlangt die Anwendung der vorgestellten Verhandlungsmethoden Vorsicht und Verantwortungsgefühl, denn ihr Einsatz dient lediglich zur Überwindung von Kommunikationsdefiziten und keineswegs zur Übervorteilung der anderen Seite (Seite 148).

Im Mittelpunkt des siebten Kapitels steht das juristische Basiswissen für die Krisenbewältigung. Diese Informationen sind in zweierlei Hinsicht hilfreich. Zum einen verfügen technisch oder kaufmännisch ausgebildete Projektmanager in den allermeisten Fällen nicht über die erforderlichen juristischen Basiskenntnisse. Zum anderen werden eskalierte Krisen nicht selten von einem Gericht entschieden (Seite 151). Nach einem kurzen Überblick über den Aufbau der einschlägigen Gesetze, die bei der kaufmännischen Abwicklung von Projekten bedeutsam sind, werden die Schritte bis zum Vertragsabschluß und die sich danach ergebenden Probleme bei der Erfüllung des Vertrages dargestellt (Seite 154). Dieser kritische Zeitraum beginnt schon mit den Vertragsverhandlungen und endet erst mit Ablauf der Gewährleistungszeit. Er bildet gleichsam den zeitlichen Rahmen, in dem eine Projektkrise entstehen kann. Schon vor Vertragsabschluß haftet der Leistungserbringer nach dem Prinzip des "culpa in contrahendo" für bestimmte Sorgfalts- und Offenbarungspflichten (Seite 175). Nach dem Vertragsabschluß kommt es unter Umständen zu sogenannten Leistungsstörungen - wie Unmöglichkeit und Verzug, wenn eine vertraglich zugesicherte Leistung nicht erbracht wird (Seite 178). Auch wenn der Lieferant den eigentlichen Vertrag erfüllt, kann er für die Nichterfüllung sogenannter Nebenpflichten - wie Auskunft, Vorbereitung und Geheimhaltung - zur Verantwortung gezogen werden (Seite 176). Fließen bestimmte Bestandteile über einen Kauf- oder Werkvertrag in das Projekt ein, so ist der Lieferant während der Gewährleistungszeit verpflichtet, auftretende Mängel zu beheben. Gelingt ihm dieses nicht, hat der Kunde ein Recht auf Wandlung oder Minderung (Seite 184).

Das abschließende achte Kapitel enthält Hinweise zur Dokumentation des Krisenmanagements. Im Idealfall wurde schon bei Projektbeginn ein Projektordner angelegt, der alle wesentlichen Schriftstücke enthält und den zeitlichen Ablauf des Projektes dokumentiert. Wurde das versäumt, so muß der Krisenmanager diese Aufgabe übernehmen. Neubauer empfiehlt eine chronologische Sortierung der Unterlagen und nur die Aufnahme weniger Register, damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt (Seite 190). Zum Abschluß stellt der Autor dem Leser Checklisten und Formblätter zur Verfügung. Diese sollen die Übernahme der Inhalte des Buches in die tägliche Arbeit erleichtern (Seite 191).

Insgesamt erfüllt die Schrift von Neubauer einen Großteil der Erwartungen, die die Überschrift weckt. Es wird eine praxisorientierte Hilfestellung bei der Bewältigung von Problemen in Projekten gegeben. Zahlreiche Abbildungen, Tabellen und Randüberschriften machen den Text gut lesbar. Das vom Autor gewählte anonymisierte Fallbeispiel (Seite 51) läßt die theoretischen Überlegungen anschaulich werden und hilft bei der Umsetzung der Konzepte in der betrieblichen Praxis. Gleichwohl fragt sich der Leser so manches Mal, ob es hier wirklich um Krisenmanagement oder doch eher um Störungsbewältigung und Beschwerdemanagement geht. Wer eine Übertragung der betriebswirtschaftlichen Konzepte zum Krisenmanagement auf den Bereich des Projektmanagements erwartet, der wird nach der Lektüre des Buches enttäuscht sein. Auch stören an einigen Stellen Tip- und Formatierungsfehler sowie unvollständige Sätze und nicht erklärte Fachbegriffe (Seite 19, 50, 61, 62, 67, 93). Dennoch sei das Buch allen betrieblichen Projektmanagern ausdrücklich zur Lektüre empfohlen. Neubauers Schrift wird ihnen in vielen Fällen helfen, eine Eskalation von Problemen in der Projektarbeit zu verhindern und damit das Ausbrechen größerer Krisen möglicherweise zu vermeiden.

Michael Neubauer,
Krisenmanagement in Projekten:
Handeln, wenn Probleme eskalieren,
Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1999,
207 Seiten, EUR 39.95,
ISBN 3-540-65771-1

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